Umgang mit Hate Speech im Netz

Zivilcourage gegen digitale Gewalt

Es herrscht ein rauher Umgangston im Netz. Kaum ein Thema zu dem nicht hitzig gestritten und diskutiert wird. Gefühlt bleibt kaum eine Personengruppe lange verschont, Politiker, Aktivisten, Flüchtlinge, Virologen, Landwirte, Fleischesser, Autofahrer, usw., jeder kann zum Opfer von Online-Hetze werden. Wenn wir auf offener Straße beobachten, wie Menschen belästigt und angegangen werden, schreiten wir ein. Gegebenenfalls suchen wir uns Unterstützung oder rufen die Polizei, jedenfalls schauen wir nicht tatenlos zu. Warum lassen wir dann online, in sozialen Netzwerken zu, dass Menschen(gruppen) angegriffen und niedergemacht werden?

Bevor wir uns Gedanken machen, wie man mit Hate Speech umgehen sollte, müssen wir klären, was wir unter Hate Speech verstehen. Übersetzen würde man sie mit „Hassrede“, eine einheitliche Definition gibt es nicht. Jedenfalls handelt es sich im Allgemeinen um hetzerische Kritik an Gruppen oder Versuche, eine Gruppe negativ darzustellen oder herabzusetzen. Daher muss man Hate Speech abgrenzen von z.B. Cyber-Mobbing, das auf Individuen abzielt oder einem Shitstorm, bei dem kurzzeitig eine größere Menge an Menschen eine Person oder eine Organisation angreifen. Diese Shitstorms flauen wieder ab, Hate Speech will bestimmten Personengruppen dauerhaft schaden, sie einschüchtern oder vertreiben.

Fast 80% aller Internetnutzer sind dem Phänomen schon begegnet, nicht direkt als Opfer, eher als virtueller Augenzeuge. Die Zahl der Beleidigungen und Angriffe nimmt stetig zu. Es ist zu beobachten, dass in Krisenzeiten auch der Umgang miteinander online härter wird. Die Flüchtlingskrise 2015 und jetzt aktuell die Covid19-Pandemien waren solche Krisen und spalteten die Gesellschaft online und offline. Dazu trägt Hate Speech mit Wir/Die-Rhetorik entscheidend bei. „Wir haben die Pläne der Regierung durchschaut, die anderen sind Schlafschafe oder gekauft und Teil der großen Verschwörung“ oder „Wir sind die mutigen Kämpfer, die Europa vor den bösen Eindringlingen aus anderen Kulturen schützen müssen. Alle anderen sind linksgrünversiffte Gutmenschen“.

Soziale Netzwerke bieten für solchen Hass eine perfekte Bühne. Sie bieten große Reichweite und erlauben durch Fake-Profile anonyme Hetze. Kaum einer würde die gleichen Parolen auf einem Marktplatz plärren, die er auf Facebook in den Kommentaren ablässt. Oft heißt es dann „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen, es gibt doch Meinungsfreiheit in Deutschland“. Dabei ist ganz klares Ziel der Hetze, ideologische Feinde mundtot zu machen, sie einzuschüchtern und deren Meinung zu unterdrücken.

Was kann man nun tun, wenn man Zeuge solcher Angriffe und Aktivitäten wird? Die Antwort ist ganz klar: kommt drauf an. Ist man selbst in der „hoheitlichen“ Position, moderieren und kuratieren zu können, z.B. als Inhaber einer Seite, auf der die Hetze stattfindet, sollte man dies auch tun. Beleidigende Kommentare können gelöscht, Profile gesperrt werden. Das hindert natürlich nicht, einfach neue Fake-Profile anzulegen und wieder Kommentare zu posten. Manche Netzwerke wie bspw. Instagram bieten die Möglichkeit des sogenannten „shadow bans“. Hier wird ein Profil gesperrt, der Nutzer merkt es aber nicht. Sein Kommentar ist für ihn immer noch sichtbar, er kann weiter kommentieren, doch außer ihm sieht sie keiner.

Man kann natürlich auch aktiv Stellung beziehen und mit Gegenrede die oft plumpen Argumente der „Hater“ (Hasser) kontern. Doch das Wort Zivilcourage beinhaltet nicht umsonst „Courage“. Es besteht das Risiko, selbst zur Zielscheibe zu werden. Entweder online oder gar in der realen Welt. Die meisten „normalen“ Nutzer haben keine Fake-Profile, haben Arbeitgeber, Wohnorte, persönliche Fotos, etc. in ihren Profilen und sind ermittelbar. Dann flattert vielleicht auch mal ein anonymer Brief in den Briefkasten mit Beleidigungen und Drohungen. Wir empfehlen daher eher, den offiziellen Weg zu gehen und Beiträge zu melden, die klar gegen Community-Richtlinien der sozialen Netzwerke verstoßen oder gar strafrechtliche Relevanz haben. Volksverhetzung, Morddrohungen, etc. sind auch online keine Kavaliersdelikte. Die Bundesregierung hat zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken daher auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz: NetzDG) erlassen. Dieses verpflichtet dazu, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde zu löschen und auch Bericht zu erstatten über den Umgang mit Nutzerbeschwerden. Für die Zukunft ist geplant, automatisiert Volksverhetzung und Morddrohung an zentrale Stellen des Bundeskriminalamtes zu melden. Des Weiteren ist am 03. April das Gesetz gegen Hasskriminalität in Kraft getreten, das härtere Strafen vorsieht und Strafverfolgung nicht mehr nur durch Antrag der Betroffenen ermöglicht. Soziale Netzwerke sind demnach verpflichtet, folgende Straftaten zu melden:

  • Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
  • Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie Bildung und Unterstützung krimineller terroristischer Vereinigungen
  • Volksverhetzung und Gewaltdarstellungen sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten
  • Belohnung und Billigung von Straftaten
  • Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit
  • Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen

Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung sind NICHT von der Meldepflicht umfasst. Allerdings sollen zukünftig Nutzer darüber informiert werden, wie und wo sie Strafanzeige stellen können. Auch hier ist zur Vorsicht geraten. Eine Anzeige bringt immer mit sich, dass der Angezeigte durch Akteneinsicht Name und Adresse der Person erfahren kann, die die Anzeige gestellt hat. Auch hier begibt man sich also gewisserweise in Gefahr. Es kann daher sinnvoll sein, sich an Kontaktstellen zu wenden, die dann die Strafanzeige stellen. Zu nennen wäre z.B. hateaid.org, doch gibt es einige Organisationen, die Betroffenen digitaler Gewalt Unterstützungsleistungen anbieten.

Wichtig ist in jedem Falle das Sichern von Beweisen. So sollten immer Screenshots von Hasskommentaren erstellt werden. Hier darauf achten, auch die Kommentare vor und nach dem eigentlich relevanten Kommentar zu erfassen, da Strafermittler immer auch den Kontext betrachten wollen. Vielleicht wurde die Person ja stark provoziert oder zitiert nur den Kommentar eines anderen. Daher immer möglichst den Diskussionsverlauf festhalten. Darüber hinaus sollten direkte Links zu den Posts/Kommentaren und der genaue Zeitpunkt erfasst werden.

Zivilcourage im Netz bedeutet, nicht länger wegzuschauen, Opfer nicht alleine zu lassen und dagegen zu halten. Ziel ist es nicht, den Hetzer von seinem Hass abzubringen. Ziel ist es, stillen Mitleser zu zeigen, dass Hetzer nicht in der Mehrheit sind und man ihnen Paroli bieten kann und muss. Die rechtlichen Grundlagen sind gegeben, die sozialen Netzwerke bieten immer mehr Werkzeuge, um aktiv gegen Hass vorzugehen. Diese sollte man nutzen.