Erlebnistour Grüne Berufe

Drei Tage in die Grünen Berufe reingeschnuppert

Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie fand vom 20. – 22. April das Berufsorientierungsseminar der Landjugendverbände in Rheinland-Pfalz statt, um Schüler in ihrer Berufswahl zu unterstützen. Drei Tage gute Laune und Infos aus erster Hand!

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hatten großen Einfluss auf Schule, Jugendarbeit und Angebote der Berufsorientierung. Berufsmessen, Berufsprojekttage in Schulen und schulische Praktika konnten in den vergangenen zwei Jahren nur sehr eingeschränkt oder gar nicht stattfinden. Viele junge Menschen hatten daher kaum die Möglichkeit, in verschiedene Berufe reinzuschnuppern und mit ihren eigenen Interessen und Wünschen abzugleichen. Den Landjugendverbänden in Rheinland-Pfalz war es daher besonders wichtig, dieses Jahr wieder aktiv zu werden.

Unter dem neuen Titel „Erlebnistour Grüne Berufe“ ging es am Mittwoch, den 20. April los, die Landjugenden Rheinland-Nassau und RheinhessenPfalz begrüßten die jungen Teilnehmer auf der Deula in Bad Kreuznach. Erster Programmpunkt war ein Übersichtsvortrag der Passgenauen Besetzung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Nilay Manß stellte alle 14 Berufe im Detail vor und ging dabei vor allem auf typische Tätigkeitsfelder und Weiterbildungsmöglichkeiten ein. Zu dem Zeitpunkt waren auch die Eltern der Teilnehmer noch anwesend und konnten ebenfalls Fragen zu Zugangsvoraussetzungen und Perspektiven in den einzelnen Berufen stellen.
Nach Verabschiedung der Eltern erfolgte der erste Betriebsbesuch. In einem Kleinbus fuhren die Jugendlichen zum Forstamt Soonwald im Entenpfuhl.

Dort wurden sie vom Azubiteam des Forstamtes begrüßt, bevor es gemeinsam in den Wald ging. In einem Waldstück, das stark vom Borkenkäfer heimgesucht wurde, erklärten die jungen Forstwirte die Auswirkungen des Schädlingsbefalls und demonstrierten die Fällung eines Baumes, dessen anschließende Entästelung und Zerlegung für den einfachen Abtransport. Den Teilnehmern fiel vor allem die gute Kommunikation im Team auf, die dank im Helm integrierter Funkgeräte auch bei Motorsägenlärm völlig ohne Brüllen auskam. Nur durch Teamwork und gute Absprachen können die teils gefährlichen Arbeiten im Wald sicher durchgeführt werden. Die Forstwirt-Azubis betonten, dass man sich aufeinander verlassen können und auch bei Wind und Wetter gemeinsam draußen anpacken muss. Dann sei der Forstwirt jedoch ein schöner und erfüllender Beruf.

Im Anschluss ging es nach Bockenau auf den Milchviehbetrieb Lindenhof der Familie Essich. Nach einer kurzen Begrüßung durch Andreas Essich übernahm Sohn Moritz die Führung über den Betrieb. Der Lindenhof hält 430 Milchkühe und produziert auf 200 Hektarn Ackerfläche Futtermittel für die Tiere. Durch die große Zahl der Tiere kommen täglich Kälber zur Welt und müssen entsprechend versorgt werden. Für die Jugendlichen waren diese Dimensionen beeindruckend. Neben den Stallanlagen wurde den Teilnehmern auch die Biogasanlage gezeigt und ihre Funktionsweise erklärt. Familie Essich bietet jungen Menschen immer gerne die Möglichkeit, auf dem Betrieb Praktika zu absolvieren und beschäftigt immer auch 2-4 Auszubildende. Auch die Teilnehmer seien gerne willkommen, mal auf dem Hof ein Praktikum zu machen.

Zurück auf der Deula gab es nach dem Abendessen zunächst eine Reflektionseinheit. Die Teilnehmer machten sich Gedanken, was ihnen tatsächlich wichtig an ihrem späteren Beruf ist. Arbeiten sie gerne im Freien, lieber im Kontakt mit Menschen oder alleine, lieber mit Tieren oder Technik, usw. Dies half den Jugendlichen, die kennengelernten und noch folgenden Berufe besser für sich einzuordnen. Danach gab es kleine Teamübungen, um die Gruppe zusammmen zu schweißen, aber auch deren soziale und kommunikative Kompetenzen zu testen.

Der zweite Tag begann mit der Besichtigung der Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle in Münchweiler an der Alsenz. Deren Aufgaben bestehen vor allem in der überbetrieblichen Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Milchkühe, Rinderaufzucht, Schafe und Schweine, ebenso in der praxisnahen Forschung in diesen Bereichen und letztlich der Vermittlung landwirtschaftlicher Zusammenhänge und deren Stellenwert in der Gesellschaft im Rahmen der Verbraucherbildung. Unter anderem besuchen z.B. regelmäßig Schulklassen und Besuchergruppen die Einrichtung, um sich über Tierhaltung in der Landwirtschaft zu informieren. Veterinärin Dr. Theresa Scheu führte die Gruppe über die Anlage und erläuterte u.a. verschiedene Haltungsformen und veranschaulichte die zunehmende Digitalisierung im Stall. Beides sind wichtige Faktoren, die einerseits die Milchleistung der Tiere, aber auch das Tierwohl verbessern sollen. Denn nur gesunde Kühe geben viel und qualitativ hochwertige Milch. Nach dem Mittagessen auf der Neumühle ging es dann weiter nach Eisenberg.

Hier betreibt die Familie Funck den Obst- und Ackerbaubetrieb Erdbeerland Funck Gbr. Alexander Seiler führte durch die modernen Gewächshausanlagen, in denen Erd- und Himbeeren angebaut werden. Der Betrieb bewirtschaftet auch klassische Erdbeerfelder mit Tunnelanbau. Der Anbau im Gewächshaus bietet natürlich mehr Kontrolle über Bewässerung und Klima, so dass die Früchte nicht komplett Wetter und Witterung ausgesetzt sind. Doch auch im Gewächshaus kann eine frostige Nacht schnell zu komplettem Ernteausfall führen, wenn das Team nicht schnell genug reagiert, so Seiler. Ein betriebswirtschaftliches Risiko, das der Betrieb tragen muss. Neben Erd- und Himbeeren produziert der Betrieb zudem Spargel. Die Gruppe konnte im anschließenden Rundgang über das Betriebsgelände zuschauen, wie Früchte und Spargel gewaschen, in Kisten gefüllt und mit einem ganzen Fuhrpark an Sprintern in die etlichen Verkaufsstellen in ganz Rheinland-Pfalz transportiert werden. In der Spitze sind bis zu 200 Arbeitskräfte nötig, um dies alles logistisch bewerkstelligen zu können. Zum Abschied bekam die Gruppe noch frische Erdbeeren, die am gleichen Morgen noch auf dem Feld geerntet wurden. Frischer geht’s nicht.

Letzte Station war das Weingut David Spies in Dittelsheim am Kloppberg. David Spies, Jungwinzer des Jahres 2020, empfing die Gruppe mit einem alkoholfreien Secco auf dem Hof des Weinguts. Von da aus ging es dann zunächst gemeinsam in den Weinberg. David ging auf die Besonderheiten der Region ein und erläuterte die vielfältigen Tätigkeiten des Winzerberufs. Besonders gefällt ihm am Weinbau, den gesamten Prozess vom Anbau der Trauben bis zur Abfüllung und Vermarktung des fertigen Weines im Blick zu haben, so dass am Ende tatsächlich das komplett eigene Produkt an den Kunden verkauft werden kann. Er betonte, die Wichtigkeit lebenslangen Lernens. Man kann sich als Winzer stets weiterentwickeln, experimentieren, neue Ansätze und Impulse finden. Das macht für ihn den großen Reiz des Berufs aus.
Abends fand dann noch ein Gesprächsabend mit jungen Praktikern statt. Vertreter der verschiedenen Grünen Berufe, die entweder noch in Ausbildung sind oder bei denen diese zumindest noch nicht allzu lange zurückliegt, standen den Teilnehmern für Fragen zur Verfügung. In diesem direkten Gespräch unter vier Augen wurden dann zum Teil Fragen gestellt, die man sich vielleicht vor der gesamten Gruppe im Betrieb nicht getraut hat zu fragen.

Der letzte Tag begann mit dem KompetenzCheck. Hierbei setzen sich die Teilnehmer mit ihren eigenen Kompetenzen, Stärken und Schwächen auseinander und gleichen diese mit den Anforderungen ihrer Wunschberufe ab. Hier sind junge Menschen oft erstaunt, wieviel sie tatsächlich schon mitbringen, da sie sich nie bewusst darüber Gedanken gemacht haben. Sie bekamen dann die Aufgabe, sich selbst mal in die Rolle eines Betriebsinhabers zu versetzen und zu überlegen, was ihnen an einem Azubi oder Mitarbeiter wichtig wäre. Dieser Perspektivwechsel bringt meist einige neue Erkenntnisse für angehende Auszubildende.
Danach ging es wieder auf Tour.

Der erste Betriebsbesuch war der Garten- und Landschaftsbaubetrieb Schuler Service Group in Klein-Winternheim. Der Betrieb wurde 2020 im Rahmen des Ausbildungsbetriebs des Jahres für sein Engagement in der Ausbildung geehrt. Schwerpunkt des Betriebes sind Großprojekte, die von Land, Städten und Kommunen ausgeschrieben und nach Vorgabe angelegt werden müssen. Dazu gehören Park- und Sportanlagen, Parkplätze, etc. Verstärkt lassen jedoch auch große Firmen ihre Betriebsgelände gestalten und pflegen. Kleingärten von Privatleuten werden so gut wie gar nicht mehr angelegt. Der Beruf bietet und fordert weit mehr als das Pflanzen von Blumen und deckt Pflaster-, Straßen-, Tiefbau- und Kanalarbeiten ab. Der Betrieb legt dennoch großen Wert darauf, dass alle Auszubildenden auch im Bereich der Pflanzenkunde fit sind, auch wenn Grünanlagen bei vielen der Projekte nur eine untergeordnete Rolle spielen. So sollen sie im gesamten Spektrum des Berufs Fachwissen erlangen.

Der letzte Betriebsbesuch der Erlebnistour 2022 führte in das Rittergut Bangert, unweit der Deula. Hier betreibt die Familie Hesselbach einen Ackerbaubetrieb sowie einen Agrarhandel. Clemens Hesselbach führte über das Gut und präsentierte Teile des modernen Landmaschinen-Fuhrparks. Da der Betrieb 500 Hektar im Ackerbau bewirtschaftet, sind neben Maschinen natürlich auch motivierte Mitarbeiter wichtig. Daran ändert auch moderne Technik nichts. Diese könne den Menschen nicht ersetzen und mache den Beruf des Landwirten nicht überflüssig, sondern anspruchsvoller. An der Landwirtschaft Interessierten legte er nahe, unbedingte eine praktische Ausbildung zu absolvieren und nicht direkt nach der Schule in ein Studium zu starten. Die Ausbildung schaffe ein solides Fundament, auf dem aufgebaut werden könne. Neben dem Studium seien danach auch der Meister und Techniker gute Weiterbildungsmöglichkeiten.
Zurück auf der Deula gaben alle Teilnehmer in einer Feedbackrunde an, wichtige Impulse für ihre Berufswahl bekommen zu haben und im Rahmen von Praktika weiter in die Grünen Berufe reinschnuppern zu wollen. Die Landjugendverbände in Rheinland-Pfalz bedanken sich für die Teilnahme und das Interesse an den Berufen und wünschen allen Teilnehmern alles Gute für die weitere berufliche Laufbahn. Sie würde sich freuen, den ein oder anderen bei Kompetenztrainings oder dem Berufswettbewerb wiederzusehen oder gar in einer ihrer Orts- und Kreisgruppen begrüßen zu dürfen.