Endlich wieder IGW, endlich wieder Berlin

Fahrt zur Internationalen Grünen Woche mit Rekord

Zwei Jahre mussten sie warten und umso größer war die Freude: Mit rekordverdächtigen über 50 Landjugendlichen fuhr die Landjugend Rheinland-Nassau in die Hauptstadt und erlebte hautnah, was es heißt, Teil einer großen Landjugendgemeinschaft zu sein.

Bedingt durch die Coronapandemie konnte die traditionsreiche Messe rund um Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau zwei Jahre nicht in gewohnter Form stattfinden. Manches wurde in die virtuelle Welt verlegt, vieles fiel komplett aus. Doch dies alles war vergessen, denn dieses Jahr konnte die Landjugend Rheinland-Nassau wieder ihre beliebte Fahrt nach Berlin anbieten und die Resonanz war riesig. Los ging es am 19. Januar früh morgens mit der Deutschen Bahn. Maria Müller und Yannik Zender übernahmen in diesem Jahr die Reiseleitung. Die Stimmung der großen Reisegruppe war von Beginn an ausgelassen und ließ sich auch von kleineren Pannen wir Zugausfällen oder -verspätungen nicht trüben. Die Vorfreude auf die kommenden Tage war einfach zu groß und die letztlich um zwei Stunden verspätete Ankunft in Berlin verschmerzbar. Nach Einchecken im Hotel wurde gemeinsam der Abend gestaltet, in der Hauptstadt mangelt es nicht an Angeboten.

Auf vielfachen Wunsch wurden dieses Jahr zwei Messebesuche eingeplant. Die vielen Stände und Ausstellungen sind an einem Tag nur schwer abzudecken. Der erste Besuch fand gleich am Samstag statt. Hier gab es wieder für alle Sinne viel zu entdecken und Leckereien aus aller Welt zu probieren. Doch auch aktuelle Landtechnik, Tiere und manch Exotisches gab es zu bestaunen. Natürlich gehörte ein Besuch des Landjugendstandes dazu. Hier gilt es, so viel Landjugend auf 10 Quadratmetern unterzubringen und Besuchern anschaulich zu machen, wie irgendwie möglich. Dieser Aufgabe stellten sich dieses Jahr die Rheinische Landjugend gemeinsam mit der Landjugend Württemberg-Hohenzollern.

„Es geht um einen Perspektivwechsel. Wir setzen gern die Berliner Hipster-Brille auf und leihen den Besuchern im Gegenzug unsere Landjugendbrille. Dabei können beide Seiten nur gewinnen“, so Theresa Schmidt, Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend. Über 30 ehrenamtlich Aktive hatten die zehn Messetage unter sich aufgeteilt, hatten ihre Freizeit, ihren Urlaub in Halle 3.2 verbracht. „Das ist Leidenschaft fürs Land, Engagement für Landjugend und Gesellschaft und alles andere als selbstverständlich“, bedankt sich Maike Delp, stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend. Der Stand hatte für Besucher unter anderem eine Kornquetsche zu bieten, wie sie auch bei der Landjugend Rheinland-Nassau immer wieder zum Einsatz kommt. Sich selbst die Flocken für das nächste Frühstück zu quetschen hat einfach einen Reiz, vor allem auch für Städter, die sich sonst vielleicht eher selten Gedanken über die Herkunft und Produktion ihrer Lebensmittel machen. Sogar Minister Cem Özdemir quetschte sich hier Haferflocken. Auf der Internationalen Grünen Woche 2024 wird die Landjugend Rheinland-Nassau den Stand gestalten und freut sich schon jetzt über interessierte Standbetreuer.

Um 13 Uhr besuchten die IGW-Fahrer dann den Junglandwirt:innenkongress. Hier drehte sich alles um das Thema „Laborfleisch – Konkurrenz, Chance oder Tod der Tierhaltung?“. Nach einem kurzen Grußwort von DBV-Präsident Joachim Rukwied übernahm Moderatorin Kathrin Muus die Bühne. Die frühere BDL-Bundesvorsitzende kennt die Sorgen der Junglandwirte und Junglandwirtinnen und weiß als ehemaliges Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft auch, wie emotional das Thema Tierhaltung diskutiert wird. Sie stellte Prof. Dr. Nick Lin-Hi von der Universität Vechta vor. In seinem Fachvortrag wies der Ökonom und Laborfleisch-Experte nach, dass Konsument:innen im Massenmarkt nicht bereit sind, mehr für Produkte zu zahlen, wenn sie keinen direkten Nutzen davon haben. Eine Steigerung des Tierwohles durch eine Wandlung der Haltungsformen ziehe Produktkostensteigerungen mit sich, die die meisten Konsument:innen wohl nicht bereit sein werden, mitzugehen. Daher hielt er es für durchaus möglich, dass das letzte Jahrzehnt für die Nutztierhaltung zur Erzeugung von Lebensmitteln angebrochen ist. Ebenfalls auf dem Podium stand Prof. Dr. Wilhelm Windisch von der TU München. Als Tierernährer betonte er direkt zu Beginn, dass die Erzeugung von Laborfleisch erst dann disruptiv für die Tierhaltung werde, wenn für Menschen unverdauliche Biomasse wie Gras dafür verwertet werden kann. Laura Gertenbach (Innocent Meat), die Gründungserfahrung in der Laborfleischbranche und im Fleischhandel hat, vertrat dagegen die Ansicht, dass sich beide Systeme gut ergänzen könnten und nicht gegenseitig ausstechen müssen. Eine Integration der Laborfleischproduktion in Landwirtschaftsbetriebe sieht sie jedoch kritisch, da eine Umnutzung landwirtschaftlicher Gebäude rechtlich nicht möglich sei. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Oliver Vogt ergänzte hierzu, dass Regelungsrecht angepasst werden könne verlangte jedoch als Physiker, dass zu Laborfleisch noch mehr geforscht und Beweise geführt werden müssten. Eine äußerst spannende Diskussion zur Zukunft der Landwirtschaft und unserer Ernährung.

Abends stand dann die große Landjugendfete auf dem Programm. Diese fand in der Columbiahalle statt. Ca. 2500 Landjugendliche kamen hier zusammen, feierten gemeinsam und tanzten zu bekannten Rock- und Popsongs der Liveband Krachleder. Diese war  bei der letzten IGW schon mit dabei und weiß genau, wie man Landjugend aufs Tanzparkett lockt. Den Weinausschank auf der Fete und dem Landjugendball übernahmen Jungwinzer aus Rheinland-Nassau und konnten sich über mangelnde Nachfrage nach ihren Weinen nicht beklagen.

Am Sonntagvormittag ging es in den Citycube zur Jugendveranstaltung des BDL. Die Vorsitzenden Theresa Schmidt und Jan Hägerling begrüßten die ca. 2500 Landjugendlichen, die es sich trotz ausgelassener Feier am Vorabend nicht nehmen ließen, mit dabei zu sein. „Die Aufmerksamkeit, die wir politisch bekommen, verdanken wir euch! Eurem Einsatz vor Ort!“, so die beiden BDL-Vorsitzenden.

„Um Perspektiven zu schaffen, brauchen wir auch politische Rückendeckung.“ Dazu gehöre es, endlich die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission umzusetzen und diese nicht weiter versanden zu lassen, betonte Theresa Schmitt. Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gab ihr Recht. Gerade weil sich die Herausforderungen weltweit ähnelten, solle Deutschland als Vorreiter vorangehen. Den BDL verstehe sie als Stimme der Jugend im ländlichen Raum: „Sie sind die Transformationsträger”, betonte Bender bei der BDL-Jugendveranstaltung auf der Grünen Woche.

 

Für die Politikerin sei der ländliche Raum zugleich der Schlüssel für die Lösung der multiplen Krisen, sagte sie auf der großen Bühne des CityCubes in Berlin. Nach dem Willen ihres Ministeriums sollen dieses Jahr die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft festgezurrt werden. Damit stellte Bender unter anderem auf den Umbau der Tierhaltung ab. Dafür soll im März das Baugesetzbuch geändert und die Technischen Anweisungen für die Reinhaltung der Luft umgestellt werden. Im vierten Quartal sollen die ersten Auszahlungen für Fördervorhaben fließen. Ausdrücklich verspricht Silvia Bender, auch Sonderkulturen und Weinbau erhalten zu wollen. „Wir wollen keine Betriebe mehr verlieren”, betonte die BMEL-Vertreterin.

In der anschließenden Talkrunde unterstützten Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), und Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes (dlv), die Forderungen der Landjugend. „Wir wünschen uns das Denken in Generationen, sonst stehen neben den Schweinebauern bald auch die Winzer:innen auf der roten Liste”, spitzt die BDL-Bundesvorsitzende Theresa Schmidt die Forderung nach Planungssicherheit für Junglandwirt:innen und Jungwinzer:innen zu.

Im Rahmen der Jugendveranstaltung wurden auch Landjugendprojekte mit dem mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Ernst-Engelbracht-Greve-Preis ausgezeichnet. Die insgesamt drei Sieger und drei Achtungspreise zeichneten sich durch Kreativität und Innovation aus. Von einer Landjugend-Entdeckertour über die Gründung einer Kulturwerkstatt bis hin zu virtuellen Bauernhofrundgängen in VR hatten sich junge Leute tolle Projekte ausgedacht, die die ländlichen Regionen nach vorne bringen sollen.

Im Anschluss führte die Hessische Landjugend ihr selbstgeschriebenes Theaterstück „Hart verkackt! #uffgebeissnet“ auf, das mit Witz und Charme Themen wie Tiktok-Wahnsinn, haltlose Werbeversprechen und überzogene Schönheitsideale sowie Vorurteile von Städtern bearbeitete. „Einfach klasse. Genau die richtigen Themen großartig verpackt und super auf die Bühne gebracht“, fasste BDL-Vize Sebastian Dückers begeistert zusammen. Junge Menschen gehen eben mit ganz unterschiedlichem familiärem Startkapital in ihr Erwachsenwerden. Wie das gesellschaftliche Umfeld zusätzlich prägt, zeigte das hessische Stück sehr deutlich auf.

Wem das noch nicht reichte, der konnte im Anschluss das Musical „Ku’damm 56“ im STAGE Theater des Westens besuchen. Inhaltlich basiert das Musical auf dem gleichnamigen Fernseh-Dreiteiler über das Aufkommen des Rock ‘n Roll und den Aufbruch der Jugend in den 50er Jahren. Abschluss fand der Tag dann auf der Niedersachsenparty im Club „Huxleys neue Welt“.

Am Montag ging es wieder auf die Messe und zwischendurch zum BDL-Jugendforum mit der Bundestagsabgeordneten und stellvertretenden Generalsekretärin der CDU Christina Stumpp. Diese sprach über die Herausforderungen, Ämter, Karriere und Familie unter einen Hut zu bekommen und welchen Vorurteilen und veralteten Vorstellungen sie ausgesetzt sei. „Meine Kollegen fragt niemand, wie sie das mit ihren Kindern hinkriegen“, berichtete sie und ging damit auf den gesellschaftlichen Umgang mit berufstätigen Müttern ein. Sie betonte jedoch, wie wichtig es sei, sich politisch einzumischen. „Nur wer sich einbringt, kann mitgestalten“, sagte die junge Politikerin: „Engagiert euch, bringt euch in eurer Gemeinde ein, geht in den Gemeinderat oder lasst euch bei den anstehenden Kommunalwahlen aufstellen“, ermutigte sie das Landjugendpublikum. In der Politik brauche es Menschen jeder Altersgruppe. Mit den anwesenden Jugendlichen diskutierte sie angeregt über klassische Landjugendthemen wie Digitalisierung und Infrastruktur in ländlichen Regionen. In Sachen Jugendbeteiligung gehen die Ansichten von Christina Stumpp und dem BDL ein wenig auseinander. Die stellvertretende CDU-Generalsekretärin sieht die Chance sich einzumischen eher in den Gemeinden und auf Landesebene. Auf Bundesebene gebe es aus ihrer Sicht noch kein passendes Instrument. Sie verweist daher eher auf die gewählten Abgeordneten. Der BDL fordert jedoch, junge Menschen in allen Gremien oder Kommissionen auf Bundesebene einzubeziehen, so wie es bei der Zukunftskommission Landwirtschaft bereits erfolgreich umgesetzt wurde.

Abends wurde es dann feierlich, der große Landjugendball im Palais am Funkturm wartete auf die jungen Landjugendlichen aus Rheinland-Nassau, die sich in festlicher Abendgarderobe aufs Tanzparkett wagten. Live-Musik lieferten „Me & The Beauties“, die  die Landjugendlichen schnell zum Tanzen brachten. Das einzigartige Ambiente und die Atmosphäre des Landjugendballs lädt dazu ein, ausgelassen zu feiern und rundet jedes Jahr das Programm der Fahrt zur Internationalen Grünen Woche ab. Am nächsten Morgen traten die Hauptstadtabenteurer dann sichtlich müde, aber zufrieden die Heimreise an. Viele waren nicht zum ersten Mal, die meisten ganz sicher nicht zum letzten Mal dabei.